Eine Einschätzung von Medienanwalt Dr. Michael Metzner
Am Dienstag hat das Europaparlament eine Reform des Urheberrechts beschlossen. Von den einen wurde das erfreut begrüßt, andere kritisierten den Entschluss entschieden. Das Thema beschäftigte schon im Vorfeld der Entscheidung große Teile der (jüngeren) Bevölkerung: hunderttausende Bürger hatten über Wochen hinweg gegen den Gesetzesentwurf demonstriert. Doch was steckt wirklich hinter dem neuen Recht? Und was für Folgen ergeben sich für das Internet? Diese Fragen beantwortet Fachanwalt Dr. Michael Metzner.
Herr Dr. Metzner, was genau wird am Urheberrecht geändert?
Die Urheberrechtsnovelle hat viele verschiedene Regelungen. Zwei davon stehen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses: das ist zum einen das Leistungsschutzrecht für die Presseverleger in Artikel 11 (beschlossen als Artikel 15), zum anderen Artikel 13 (nun Artikel 17) mit der Haftung der Content-Plattformen für die Inhalte, die Nutzer hochladen, also User-generated Content.
Das Leistungsschutzrecht in Artikel 11 gibt den Presseverlegern ein Monopolrecht auf ihre Artikel, zusätzlich zum Urheberrecht der Autoren. So haben die Verlage ein spezielles Recht darauf zu bestimmen, was mit ihren Artikeln passiert. Dabei geht es zum Beispiel darum, dass Schlagzeilen und Ausschnitte von Artikeln, die in News-Aggregatoren, wie zum Beispiel in Google News, zu sehen sind, unter das Schutzrecht der Presseverleger fallen. Diese können dann Lizenzgebühren dafür verlangen.
In Artikel 13 geht es um die Haftung der Plattformen, auf denen User-generated Content, also nutzergenerierte Inhalte, hochgeladen werden. YouTube ist zum Beispiel so eine Webseite. Diese Plattformen haben sich bisher für die von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte wenig in der Verantwortung gesehen. Deswegen war es immer sehr schwer, gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen. Gemäß Artikel 13 sollen aber jetzt die Plattformen für Verletzungen des Urheberrechts haftbar gemacht werden, außer sie können nachweisen, dass sie alles dafür getan haben, dass derartige Verletzungen nicht passieren. Unter anderem wird das so interpretiert, dass die viel kritisierten Uploadfilter im Moment die einzige technische Möglichkeit sind, um die neuen Anforderungen umzusetzen.
Aktuell haftet für eine Urheberrechtsverletzung der User, der die betreffende Datei hochgeladen hat. Dabei ist aber das Problem, dass die Nutzer oft anonym oder nicht fassbar sind, daher haben bisher Verstöße oft keine Konsequenzen. Seit mehreren Jahren werden aber auch schon von einigen Plattformen Filter eingesetzt, da sie bisher auch schon haften konnten, sobald sie Kenntnis von einer Urheberrechtsverletzung hatten, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Filter sind also auch nicht ganz neu, allerdings hatte das Ganze aber noch nicht dieselbe Tragweite wie jetzt.
Kritiker befürchten, dass das neue Urheberrecht zu einer Zensur des Internets führen könnte. Wie schätzen Sie das ein?
Solche Entwicklungen sind immer sehr schwer vorauszusehen. Nach meiner Erfahrung ist es oft in der Konsequenz nicht so dramatisch, wie es davor befürchtet wurde. Es ist ja auch so, dass noch zwei Jahre Zeit sind, bis diese Richtline ins deutsche Recht überführt werden muss. Da weiß man dann noch nicht genau, was drinsteht und mit welchen Erwägungsgründen es versehen wird. Man kann jetzt also noch nicht wissen, wie streng das neue Gesetz dann tatsächlich gehandhabt wird. Zudem sind in der Richtlinie auch schon sehr viele Ausnahmen enthalten, zum Beispiel dass Satire und Zitieren erlaubt bleibt. Beispielsweise Memes und Gifs sollen also weiterhin möglich sein.
Ein wichtiger weiterer Punkt ist auch, dass Uploadfilter nur nach Material filtern können, mit dem sie vorher gefüttert wurden. Ich bin mir sicher, dass ein Großteil des existierenden Materials in diese Filter gar nicht erst hineingeladen wird. Das dürfte sich vor allem nur für größere Unternehmen rentieren, wie zum Beispiel Film- und Plattenfirmen oder Inhaber von Sportübertragungsrechten.