Noten kopieren – erlaubt oder verboten?

Nachdem ich am 27. November 2010 bei einem Symposium der Jeunesses Musicales zum Notenkopieren als Rechtsexperte auf dem Podium saß (Hier der Bericht der NMZ), und dazu einen Überblick als PDF verfaßt hatte, werde ich regelmäßig gefragt, ob das Kopieren von Musiknoten in bestimmten Fällen erlaubt oder verboten ist. Daher stelle ich meine Erkenntnisse, an ein paar Stellen ergänzt und überarbeitet, hier nochmals zur Verfügung.

1. Allgemeines zum Kopieren von Musiknoten

Grundsätzlich hat der Komponist als Urheber das Recht, seine Musikwerke zu vervielfältigen (§ 16 UrhG), d. h. auch zu kopieren, und zu verbreiten (§ 17 UrhG). Daraus folgt auch, dass der Komponist es jedem anderen verbieten kann, dies zu tun – daraus folgt der Grundsatz: wenn der Komponist es nicht erlaubt, Noten zu kopieren, ist es verboten. Der Komponist überträgt in der Regel dieses Recht hinsichtlich der Noten als „grafisches Recht“ (§ 8 Verlagsgesetz) in ausschließlicher Weise auf einen Musikverlag

2. Einschränkungen des Urheberrechts

Wir sind gewohnt, im Alltag alles Mögliche ohne schlechtes Gewissen zu kopieren, weil es in vielen Fällen auch erlaubt ist. Grenzen und Schranken des Urheberrechts sind jedoch kompliziert. Trotz der Strenge des Gesetzes hinsichtlich des Kopieren von Musiknoten gegenüber anderer urheberrechtlich geschützter Werke, gibt es dennoch verschiedene Fälle, in denen die Musikverlage kein Verbotsrecht gelten machen können. Allerdings bleibt es in den meisten Fällen beim Kopierverbot!

Sehen Sie sich dazu das folgende Schaubild an, auf dem ich zeige, in welchen Fällen Noten kopieren erlaubt und wann es verboten ist:

Schaubild Noten kopieren anzeigen – hier klicken

Erlaubt ist demnach:

  • Nicht-gewerbliches Kopieren von Noten „gemeinfreier“ Musikwerke, wenn es sich nicht um noch geschützte wissenschaftliche Ausgabe handelt; gemeinfrei ist ein Werk, wenn der Urheber bzw. alle Miturheber des betreffenden Werkes, in der Regel Komponisten oder Textdichter, schon mehr als 70 Jahre tot sind, z. B. im Jahr 2015 sind Werke gemeinfrei, deren Komponist vor 1945 verstorben ist)
  • Gewerbliches Kopieren von Noten ungeschützter Musikwerke, wenn der ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz abgelaufen ist, das ist nach der Rechtsprechung in der Regel 25 Jahre nach Herausgabe der Fall; allerdings darf keine irreführende Urheberrechtsangabe angebracht werden
  • Kopieren von Noten urheberrechtlich noch geschützter Werke
    • mit Zustimmung des Musikverlages (z. B. über einen Gesamtvertrag oder individuelle Vereinbarung)
    • durch Abschreiben zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch
    • zur Aufnahme in ein eigenes Archiv; allerdings dürfen Archivexemplare zu nichts anderem als zur Archivierung erstellt und benutzt werden
    • zum eigenen Gebrauch, wenn die Noten seit zwei Jahren vergriffen sind
  • Kopieren der Noten von Werken, die nicht oder nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind Benutzung von rechtswidrig (!) oder als zulässige Privatkopie hergestellten Kopien zu nicht öffentlichen Wiedergaben, z. B. Üben

Verboten bleibt es :

  • ohne Zustimmung des Musikverlages Noten urheberrechtlich geschützter Werke zu kopieren, wenn keine gesetzliche Ausnahme oder ein anderes rechtliches Verbot, wie z. B. das Verbot unlauteren Wettbewerbs, eingreift
  • zulässig als Privatkopie oder rechtswidrig unter Verstoß gegen das Urheberrecht hergestellte Kopien zu verbreiten oder zu öffentlichen Wiedergaben (Aufführung) zu benutzen

Einzelhinweise:

Grundsätzlich gibt es keine erlaubte „Privatkopie“ von Musiknoten bei urheberrechtlich noch geschützten Werken – hier sind die Regeln des Gesetzes sehr streng. So gilt das Recht der Privatkopie, das in anderen Bereichen dem Nutzer eines Werkes das Recht einräumt, einige Vervielfältigungsstücke für den privaten Gebrauch herzustellen, ausdrücklich nicht für Musiknoten.

Problematisch ist vor allem die Frage, ob und in welchem Rahmen auch aktuelle Ausgaben gemeinfreier Werke frei kopiert werden dürfen, da diese die mit erheblichem wirtschaftlichem und organisatorischem Aufwand hergestellt werden. Hier kann unabhängig von wettbewerbsrechtlichen Fragen, die nur Handlungen im geschäftlichen Verkehr betreffen, der Schutz wissenschaftlicher Ausgaben nach § 70 UrhG Grundlage eines Kopierverbotes sein. Als wissenschaftliche Ausgaben können solche Werke Schutz haben, die grundsätzlich schutzfähig sind, aber der Schutz schon abgelaufen ist. Dabei muß die Ausgabe Ergebnis wissenschaftlich sichtender Tätigkeit sein und sich im Ergebnis von bisherigen Ausgaben merklich unterscheiden, d. h. bei Musikwerken muss ein wenigstens theoretisch hörbarer Unterschied vorliegen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist die Ausgabe 25 Jahre ab Erscheinen wie ein „normales“ Werk urheberrechtlich geschützt. Beispielsweise kann eine Brahms-Ausgabe von 1989 im Jahr 2015 im nichtgewerblichen Bereich völlig frei kopiert werden.

Allerdings bleibt Abschreiben erlaubt, auch bei urheberrechtlich geschützten Werken. Die Abschrift darf allerdings weder weitere Male kopiert, noch der Öffentlichkeit angeboten werden und darf nicht in Verkehr gebracht oder zu öffentlichen Aufführungen verwendet werden.

Zur Nutzung für ein eigenes Archiv: siehe Frage 1 weiter unten.

Weiterhin ist es erlaubt Werke, die zwei Jahre vergriffen sind, zu kopieren. Dem in der Praxis nicht zu verleugnenden Bedarf, Noten in bestimmten Fällen zu kopieren kann auch nicht durch die Möglichkeit des Gesetztes gestützt werden, Noten für ein eigenes Archiv zu kopieren. Denn sobald die Noten für etwas anderes als zum Archivzweck genutzt werden, entfällt
die gesetzliche Privilegierung.
3. Missstände und Lösungsansätze
a) Praxisbedürfnisse hinsichtlich einer Erweiterung der Ausnahmen:

  • Für Musikwettbewerbe werden Umblätterkopien und Leseexemplare für die Jury benötigt, und zwar auch von nicht gemeinfreien Werken (Anm.: Es ist nicht generell verboten, aus kopierten Noten zu spielen; die bisher z. T. in Wettbewerbsbedingungen enthaltene entsprechende Untersagung „aus urheberrechtlichen Gründen“ entbehrt in dieser Pauschalität einer rechtlichen Grundlage).
  • Arbeitskopien bei Mietmaterial: Einzeichnungen in Noten sind in der Praxis notwendig. Allerdings wird Mietmaterial dadurch beeinträchtigt. Ein Verbot würde aber die Nutzungsmöglichkeiten einschränken. Daher Praxis nur sinnvoll in Kopien erfolgen. (Prof. Dreier meint in seinem Kommentar zu § 53 UrhG bereits, daß Musiknoten beispielsweise dann zustimmungsfrei kopiert werden könnten, wenn ein Orchester nicht nur ein einzelnes Exemplar, sondern einen ganzen Satz Originalnoten erworben hat, die Musiker, die in der Partitur regelmäßig ihre eigenen Anmerkungen anbringen, jedoch nur nach Kopien spielen läßt, um die Noten später in anderer Besetzung erneut verwenden zu können.
  • Im Bereich der Marschmusik benötigt man z. B. Kopien um Vergrößerungen oder Verkleinerungen herzustellen, zur Optimierung des Seitenwechsels, wegen Zusatzbedarfes bei Mehrbesetzungen; für Reservekopien, für den Fall der Abwesenheit eines Musikers oder Verlust

b) Probleme/Lösungsmöglichkeiten:

  • Einerseits ist weitgehend unbestritten, dass die Bedeutung der Kultur- und insbesondere Jugendförderung im Bereich der Musik nicht überschätzt werden kann.
  • Ein Teil der Verlage geht ohnehin tolerant mit Kopieranfragen um, soweit es das Geschäft erlaubt.
  • Problematisch ist dennoch der Interessenausgleich mit den Belangen der Rechtsinhaber (Musikverlage). Die Forderung, dass diese Gruppe wirtschaftliche Zugeständnisse aufgrund Gemeinwohlerwägungen machen soll, ist nicht aus sich verständlich, sondern bedarf grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage. Der Gesetzgeber hat die Sozialbindung des Urheberrechts v. a. in den Schrankenbestimmungen geregelt. Daher wäre eine legislative Maßnahme notwendig, wenn eine Veränderung stattfinden soll. Außerhalb des gesetzlichen Rahmens ist es die freie Entscheidung eines jeden wirtschaftlich Tätigen, wie stark er sich gemeinnützig engagiert.
  • Andererseits kann es problematisch sein, wenn Rechtsinhaber ihre Marktmacht wirtschaftlich nutzen und Positionen vertreten, die über die ihnen gesetzlich zugewiesenen Befugnisse hinausgehen.
  • Denkbare Möglichkeit wäre, außerhalb des Gesetzes einen Katalog zu schaffen, der einen genau definierten numerus clausus zusätzlicher zugelassener Gebrauchsmöglichkeiten enthält, und der individuell oder allgemein von den Beteiligten anerkannt werden kann.
  • Der Abschluss von weiteren Rahmenverträgen unter Berücksichtigung der genannten Praxisbedürfnisse
    wäre eine weitere Möglichkeit.

4. Einzelfragen zum Kopieren von Musiknoten

Themenkomplex: Noten kopieren allgemein

1. Dürfen Kopien für ein eigenes Archiv angefertigt werden?

Grundsätzlich ja. Das „Notenkopierverbot“ des § 53 Abs. 4 UrhG lässt nämlich die Möglichkeit offen, Noten zur Aufnahme in ein eigenes Archiv gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 zu kopieren. Übergreifender Gedanke ist, dass keine zusätzliche Verwertung stattfindet, wenn die Archivierung insbesondere in Bibliotheken (z. B. Mikroverfilmung gefährdeter Bestände) erfolgt. Das Archiv ist sozusagen „Endstation“ und die Kopie wird nicht weiter verwertet. Zu beachten ist der spezifische Begriff des Archives im Gesetzessinne. Kein Archiv ist ein Archiv zur Benutzung durch außenstehende Dritte. Die gesetzliche Privilegierung fällt daher weg, wenn ein betriebsinternes Archiv außenstehenden Dritten im Wege von Kopien zugänglich gemacht wird (BGH GRUR 1997, S. 459/461 – CB-Infobank I.). Problematisch wäre daher bereits die Herausgabe von Archivkopien z. B. an Musikschüler. Denn dies geht zum einen schon über den Archivierungszweck hinaus, zum anderen erfüllt das Verleihen den Tatbestand des Verbreitungsrechts (§ 17 UrhG), und die für ein eigenes Archiv erstellten Kopien dürfen gemäß § 53 Abs. 6 UrhG nicht verbreitet oder für öffentliche Wiedergaben benutzt werden. Weniger problematisch wäre unabhängig davon die für die Inanspruchnahme des Archivierungsprivileges das Bedürfnis einer der drei folgenden Einschränkungen:

  • Vervielfältigung auf Papier mittels fotomechanischer Verfahren oder
  • Ausschließlich analoge Nutzung oder
  • Tätigkeit des Archives im öffentlichen Interesse und keine Verfolgung eines unmittelbaren oder mittelbar wirtschaftlichen oder Erwerbszwecks.

2. Dürfen Ausgaben von Komponisten, die vor über 70 Jahren gestorben sind, kopiert
werden?

Generell ja (siehe oben), jedoch nicht ohne Weiteres im Rahmen gewerblicher Nutzungen. Dies ist ein weiter Begriff, hierunter können u. U. auch Musikschulen fallen.

Gilt hierbei der Todestag des Komponisten oder das © des Verlags?

Es gilt der Todestag des Komponisten.

3. Dürfen Fotokopien für Wettbewerbe, insbesondere von Werken des 20./21. Jhd., welche für die Jury (z.B. bei „Jugend musiziert“) mindestens zweimal vorgelegt werden müssen, angefertigt werden (mit der Zusage, dass die Kopien nach dem Vortrag zerstört werden?

4. Dürfen „Umblätterkopien“ gemacht werden – oder was soll in diesen Fällen geschehen?

Antwort auf Frage 3 und 4: Grundsätzlich bei urheberrechtlich geschützten Werken beides nur mit Zustimmung des Verlages im Rahmen des oben Gesagten. Ausnahmen sind bei alten Ausgaben / gemeinfreien Werken / zwei Jahre vergriffenen Ausgaben denkbar, s. o.

5. Es gibt mittlerweile massenhaft „Download-Portale“. Wie kann ich mich absichern, dass die dort angebotenen Noten wirklich vervielfältigt werden dürfen? Muss ich eine Bestätigung des Anbieters einfordern oder kann ich davon ausgehen, dass ich mich nicht strafbar mache?

Zum einen gelten die oben genannten Grundsätze. Wenn es sich um Noten von urheberrechtlich geschützter Musik handelt, besteht eher Anlaß zum Zweifel an der Rechtmäßigkeit, insbesondere wenn es sich um ein kostenloses Angebot handelt. Denn ein Musikverlag wird seine Verlagsprodukte in der Regel nicht kostenlos zum Download bereitstellen oder dieses
Recht an Dritte lizenzieren. Entsprechend finden sich in Portalen mit rechtskonformer Zielsetzung wie etwa „free-scores.com“ oder „imslp.org“ (Petrucci Music Library) auch nur gemeinfreie Musikwerke und alte Ausgaben bzw. neu lizenzierte Notationen. Eine Möglichkeit, sich des Vorwurfs mangelnder Sorgfalt zu entledigen, sind Recherchen (z. B. im Bonner Katalog). Bleiben Zweifel, kann sich der Nutzer (Verwerter), der stets die Rechtekette beweisen muß, allenfalls gegenüber seinem Lieferanten durch Freihalteklauseln absichern.

6. Ist es richtig, dass ich Orchesternoten von befreundeten Orchestern nicht mal ausleihen darf?

Das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG), zu dem auch das Verleihen gehört, liegt bei den Musikverlagen. Wenn es sich um gekaufte Noten handelt, ist daran das Verbreitungsrecht erschöpft. Dann kann der Verleih nicht mehr untersagt werden, jedoch die Vermietung. Anders bei Mietmaterial, das vom Verlag bezogen wird: Hier ist das Verbreitungsrecht nicht erschöpft, da es noch nicht in Verkehr gebracht wurde.

7. Stimmt es, dass, falls ich Noten von anderen Orchestern nicht ausleihen darf, die Noten zwar abkaufen darf, ich aber nicht vereinbaren darf, dass diese Noten wieder „zurückgekauft“ werden?

Grundsätzlich darf man gekaufte Noten verleihen (s. o.). Allerdings ist auch zu berücksichtigen, daß beim Versuch, gesetzliche Verbote zu umgehen, immer droht, daß man damit in einer gerichtlichen Auseinandersetzung scheitert.

8. Wenn eine Notenausgabe 50 Jahre alt ist, darf ich davon Kopien anfertigen. Ist das richtig?

Ja, nach der Rspr. des BGH (s. o.) sogar gewerblich. Allerdings gilt auch dies nur für urheberrechtlich freie Werke. Z. B. darf 2010 eine 1955 erschienene Ausgabe nicht kopiert werden, wenn sie ein Werk eines zwischen 1940 und 1955 noch lebenden Komponisten enthält.

9. Ist es richtig, dass ich Kopien anfertigen darf, wenn sie nicht mehr gedruckt werden und
vergriffen sind?

Ja, aber nur zum eigenen Gebrauch, und wenn sie mindestens 2 Jahre vergriffen sind.

Wie viele Verlage und Auslieferungen muss ich anschreiben, bis ich sicher sein kann, dass die Noten wirklich vergriffen sind?

Ob Noten vergriffen sind, kann sich nur auf die konkret zu kopierende Ausgabe beziehen.

Muss ich mich durch 100 Antiquariate durchwühlen? Und was ist, wenn ich auf dieser Suche nicht genügend Stimmen finde?

Wenn die Noten vergriffen sind, spielt die antiquarische Verfügbarkeit keine Rolle.

10. Was muss ich tun, bzw. darf ich einen Schüler unterrichten, wenn dieser kopierte Noten aus der allgemein bildenden Schule, z.B. vom „Leistungskurs Musik“ zum Einstudieren mitbringt?

Sie dürfen den Schüler unterrichten. Nur dürfen die kopierten Noten i. d. R. nicht zur öffentlichen Wiedergabe (Aufführung) benützt werden.

Themenkomplex: Bearbeitungen

1. Darf ich eine Bearbeitung vornehmen, wenn es ein entsprechendes Arrangement überhaupt nicht gibt?

Das Bearbeitungsrecht liegt grundsätzlich beim Urheber bzw. evtl. beim Musikverlag. Gemäß § 23 UrhG ist die Herstellung (!) einer Bearbeitung (also im „stillen Kämmerlein“) mit wenigen Ausnahmen zulässig, jedoch darf die Bearbeitung nie ohne Zustimmung veröffentlicht oder verwertet werden.

2. Ist es richtig, dass ich für mein eigenes Orchester eine eigene Bearbeitung machen kann (wenn es eine Bearbeitung zwar gibt, diese aber nicht für mein Ensemble passt)?

Auch insoweit benötigen Sie die Zustimmung des Rechtsinhabers zur Veröffentlichung oder Verwertung.

3. Wenn man populäre, aktuelle Songs abhört und handschriftlich/per PC (in der Regel in vereinfachter Version) aufschreibt, darf man das für Unterricht, Schülervorspiele oder Musikschulkonzerte benützen? Falls ja, was muss dabei angegeben werden (Komponist etc.)?

Auch das sind Vervielfältigungen, allerdings gelten für abgeschriebene Noten bzw. Hördiktate die normalen Schrankenbestimmungen und nicht das strenge „Kopierverbot“. Möglich sind daher solche Kopien zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch, allerdings dürfen sie nicht verbreitet / verliehen oder für Aufführungen benützt werden (§ 53 Abs. 6 UrhG).

4. Wenn „alte“ Musik z.B. Etüden und kleine Stücke aus Barock oder Klassik wie sie oft in verschiedenen Sammelbänden stehen, selbst aufgeschrieben werden, darf das benützt und vervielfältigt werden?

Ja, sogar kopieren ist möglich, wenn der Urheber mehr als 70 Jahre tot ist, s. o.; jedoch bei jüngeren Ausgaben aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nur beschränkt gewerblich verwendbar.

Themenkomplex: Aufführung

Ist es richtig, dass ich – falls ein Vertrag mit der VG Musikedition geschlossen wurde – die „nun legalen“ Kopien nicht bei einer Aufführung verwenden darf?

Dies kommt auf den Vertragsinhalt an. Allerdings muß das Recht, Kopien für öffentliche Aufführungen zu verwenden, nicht unbedingt mit dem Kopierrecht eingeräumt werden. Daher ist dieser Punkt gesondert zu prüfen und zu regeln. Unabhängig hiervon muß das Aufführungsrecht bei der GEMA (kleines Recht) oder dem Verlag (großes Recht bei bühnenmäßiger Aufführung) erworben werden.

Themenkomplex: Arbeitsrecht / Strafrecht

1. Welche Verantwortung für die Mitarbeiter muss ein Unternehmen übernehmen, wenn nicht legale Kopien außerhalb des Hauses angefertigt wurden, z.B. von Schülern mitgebracht werden?

Grundsätzlich keine, wenn Mitarbeiter des Hauses nicht selbst urheberrechtswidrige Handlungen vornehmen (z. B. Kopien unzulässig anfertigen, weitergeben, verleihen oder für öffentliche Aufführungen benutzen)

2. Was ist zu tun, wenn eine Anzeige o. ä. von der VG Musikedition in der Musikschule eingeht (Rechtsanwalt einschalten? Widerspruch einlegen? An wen wende ich mich? Gibt es von Seiten des VBSM / VdM einen Rechtsbeistand?)

Sicher geben Verbände im Rahmen ihrer Befugnisse auch Auskunft. Daneben kann ein sachkundiger Rechtsanwalt die Angelegenheit prüfen, vor allem ist dieser im Gegensatz zu anderen Stellen loyaler Interessenvertreter ausschließlich des Auftraggebers, zudem unabhängig und verschwiegen.

3. Wer ist in Beweispflicht (Beispiel: die Musikschule oder die VG Musikedition)?

Das kommt auf den konkreten Fall an. Im Zivilrecht ist stets derjenige beweispflichtig, der sich auf einen für ihn günstigen Umstand berufen will; ein Anspruchsteller muß die Anspruchsvoraussetzungen beweisen, z. B. der Rechtsinhaber muß die Urheberschaft und die Urheberrechtsverletzung beweisen, wobei derjenige, der sich auf eine Schranke des Urheberrechts
beruft, die entsprechenden Voraussetzungen darlegen muß.

4. Handelt es sich beim Finden unerlaubter Kopien durch Personal der VG Musik um einen Straftatbestand, der gerichtlich geahndet wird oder wird es nur im Rahmen eines Bußgeldes, das die VG ansetzt, geahndet?

Das Finden alleine dürfte in der Regel kaum eine ausreichende Tatsachengrundlage darstellen, allenfalls ein Indiz. Es kommt insofern auf den konkreten Sachverhalt an. Rechtswidrige Vervielfältigungshandlungen sind unerlaubte Handlungen im zivilrechtlichen Sinne und ziehen insoweit u. a. Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche nach sich (§§ 97 ff. UrhG). Zivilrechtlich kann die VG Musikedition aufgrund ihres satzungsgemäßen Auftrages die vorgenannten Ansprüche vor den Zivilgerichten geltend machen. Strafrechtlich kann eine unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke vorliegen (§§ 106 ff. UrhG). Die VG kann allerdings mangels hoheitlicher Befugnisse überhaupt keine
Bußgelder oder Strafen auferlegen. Die VG kann höchstens Strafanzeige erstatten und den Vorgang der Staatsanwaltschaft übergeben. Allerdings wird bei Urheberrechtsverstößen meist eine zivilrechtliche Klärung vorab vorausgesetzt.

5. Gibt es dazu Widerspruchsmöglichkeiten und welche?

Zivilrechtlich kann man sich gegen die Ansprüche wehren und eine gerichtliche Klärung herbeiführen. Strafrechtlich kann man sich im Ermittlungsverfahren oder vor Gericht gegen die erhobenen Vorwürfe wehren.

6. Die Musikschule selbst kopiert ja nicht, sondern immer Menschen, z.B. ein Musiklehrer. Ist die Musikschule trotzdem verantwortlich und falls ja, kann sie wiederum einen eventl. Strafbetrag vom Musiklehrer einfordern?

Gemäß § 99 UrhG haftet der Inhaber eines Unternehmens für Urheberrechtsverletzungen von Arbeitnehmern oder Beauftragten.

7. Was ist, wenn sich Musiklehrer verweigern einen erhöhten Mehraufwand aufgrund von Kopieanfragen (auf Kulanzregelung) bei Verlagen zu betreiben?

Dies ist eine Frage des Arbeits-/Dienstverhältnisses und des Direktionsrechts. Angestellte Musiklehrer sind weisungsgebunden und müssen Anweisungen Folge leisten. Da es nicht hinzunehmen ist, sich aus Bequemlichkeit zur Zustimmung zu rechtswidrigen Arbeitsweisen zwingen zu lassen, kann auch im Vertragsverhältnis mit freien Musiklehrern Entsprechendes verlangt werden, wobei hier die einzelne Regelung eher Verhandlungssache ist.

Sonstiges

Ist es im Sinne der Verlage, wenn in Fällen, bei denen keine Kopien für Juroren angefertigt werden dürfen, auf solche Werke bei Wettbewerben verzichtet werden muss?

Diese Frage richtet sich an die Verlage. Häufig wird es bereits gängige Praxis sein, daß in solchen „redlichen“ Fällen die Verlage sich tolerant zeigen.

Dr. Michael Metzner, November 2010/August 2015

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